Ergonomisches Arbeiten bei der Pflege

Autor: Adolf Krassnigg

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Bei der Dauer von einer oder zwei Stunden Bürsten und Kämmen für die Pflege kann es nicht nur Anfängern passieren, dass sie einige der beteiligten Muskelgruppen überlasten und sich in Schmerzen hinein arbeiten.

Das darf nicht sein!


Die folgenden Tipps sollen das verhindern. 

 

Welche Muskelgruppen werden am meisten beansprucht?

Da ist zunächst der Rücken im Blick, dann die Schultermuskulatur und die Muskelgruppen, die unser Handgelenk und die Hand steuern.

Die befinden sich zum größten Teil im Unterarm.

Ich gehe der Reihe nach darauf ein....

 

Der Rücken

Ein schmaler Tisch verringert die Notwendigkeit sich weit vorbeugen zu müssen. Ebenso wichtig ist die passende Höhe. Ich selber arbeite meistens im Sitzen auf einem Bürostuhl mit Rollen, den man auch in der Höhe passend verstellen kann und stehe nur bei ganz bestimmten Körperpartien des Hundes auf, um in geeigneter Weise heran zu kommen. Ich habe auch keinen schmalen Kämmtisch, sondern einen massiven Holztisch, auf dem ich meinen Wuff immer nahe an mich heran ziehe. Aber ob schmaler oder breiter Tisch, im Sitzen oder im Stehen, man muss in jedem Fall das „freie, ungestützte“ Vorbeugen des Oberkörpers vermeiden! Das ist die wichtigste Forderung überhaupt. Schon ein kurze Phase des Vorbeugens kann zur Überlastung führen.

Natürlich gibt es immer Momente, wo man sich doch vorbeugen muss. Dann aber heißt es immer, ich betone „immer“, sich abzustützen. Im Sitzen arbeite ich grundsätzlich  mit dem Aufstützen beider Ellbogen, aber mindestens ein Ellbogen muss es sein.  Zusätzlich „lege“ ich beim Vorbeugen den Unterbauch  auf die  Tischkante und presse mit den Oberschenkeln von unten gegen die Tischplatte! Damit schaffe ich muskulären Gegendruck zur Last des Oberkörpers. Das kann man aber nur bei einem Tisch in geeigneter Schwere und Höhe machen. Ich vermeide es unbedingt, mich im Stehen vorzubeugen! 

Per Summe: Der Königsweg für eine Schonung des Rückens ist immer die ganz gerade Haltung des Oberkörpers, ob im Stehen oder Sitzen. Jede Vorneigung darf nur für Sekunden erfolgen. Wenn sie länger dauert, muss man sich abstützen. Um dafür die geeignete Distanz und Position zum Hund zu finden, bewege ich mich um den Tisch herum.

 

Arm, Schulter und Handgelenk

Die schonendste Armhaltung beim Kämmen wird erreicht, egal ob im Stehen oder im Sitzen, wenn der Oberarm fast senkrecht am Körper herunter zeigt und nur ganz wenig von der Schulter aus abgewinkelt wird. Die eigentliche Kämmbewegung erfolgt dann hauptsächlich aus dem Ellbogen/Unterarm heraus. Absolutes Gift ist es, den Ellbogen stärker anzuheben. Das wirkt sich auf die Muskulatur in der Schulter ganz schlimm aus. 

Ich arbeite nach dem Durchbürsten beim ersten Kämmdurchgang  des geringeren Zuges wegen mit einem relativ grob zinkigen Kamm mit plattem Griff. Die Holzrundgriffe liegen mir nicht. Ich halte die Rundgriffe für ergonomisch schlechter. Aber jeder muss für sich selbst heraus finden, ob Sprattkamm, Striegel oder Slicker, was ihm besser liegt.

Aber egal mit welchem Werkzeug, beim Kämmen darf man auf keinen Fall Kraft anwenden. Man kommt  nicht mit Kraft, sondern mit der  Zahl der gefühlvollen Bewegungen am besten voran. Außerdem halte ich den Kamm immer recht locker. Das hat auch den wichtigen Effekt, dass nur wenig Zug auf die Haut des Hundes geht und gleichzeitig die  arbeitende Muskulatur im Unterarm nicht stark angespannt wird.  Darum ermüdet sie auch nicht so schnell. 

Denn gerade die Unterarmmuskulatur ist neben dem Rücken am meisten bedroht. Hier ist nur eine kleine Muskelgruppe an der Arbeit beteiligt und schon die Übersäuerung  eines einzigen Muskels führt zum Abbruch der Arbeit! Bei einer solchen Übersäuerung fühlt sich der Unterarm so richtig taub an! 

Darum achte ich ständig auf Entspannung der Muskeln im Unterarm, unterbreche immer wieder nach kurzer Zeit das Kämmen, lockere die Muskeln und entlaste sie auch hin und wieder durch den Gegenstrich. 

Bei diesem Gegenstrich ändert sich nicht die normale Kämmrichtung am Haar des Hundes, sondern ich selber stelle mich so hin, dass ich mit Bürste oder Kamm nicht auf meinen Körper hin, sondern weg arbeite. Vor allem bei Bürsten und Sprattkämmen kann man durch den „Gegenstrich“ die Unterarmmuskulatur etwas entlasten. 

Das Handgelenk sollte beim Kämmen nur sehr sparsam gebeugt werden – egal in welche Richtung. Das gilt besonders für einen seitlich heraus ragenden  Kammtyp wie dem Spratt und ähnlichen. Ich arbeite fast mit geradem Handgelenk. Das geht natürlich nicht immer, aber man sollte sich vor Augen halten, dass jede Beugung unter Belastung im Handgelenk zu einer erheblichen Verschlechterung der Hebelverhältnisse in Richtung Unterarmmuskulatur führt. Ich habe in den Anfangszeiten meiner Haarpflege nicht die so entstehenden Signale der Ermüdung beachtet – bis mir der Kamm wegen Übersäuerung der Muskeln  im Unterarm kraftlos aus der Hand fiel! Es dauert Tage, bis die Muskeln sich dann soweit erholt haben, dass man wieder Kämmen kann!

Beim Striegel oder der Slickerbürste ist die Gefahr der Ermüdung durch  Bewegung aus dem Handgelenk nicht so groß.


Die Knie 

Stellen Sie sich einfach mal hin und fassen an ihre Kniescheiben, fachmännisch Patella genannt. Die Kniescheibe sitzt oberhalb des Gelenkspalts auf einem Knorpelbett und man kann sie leicht hin und her schieben. Beim Sitzen aber wird die Patella fest auf ihre Knorpelunterlage gepresst. Der Zug wird noch stärker, wenn man die Unterschenkel noch weiter nach hinten beugt.

Aber spätestens ab 50 Jahre, allerspätestens, sind die Knorpel nicht mehr taufrisch. Bei längerem  Anpressen der Kniescheibe können sich Riefen bilden, aus denen eine wässrige Flüssigkeit sickert, manchmal sogar noch mit Blut vermischt. Diese Flüssigkeit fließt ins Kniegelenk ab, -  man hat dann „Wasser“ im Knie. Den veränderten Druck im Gelenk spürt man deutlich, am meisten in der Kniekehle. Die Flüssigkeit muss meist abgesaugt und ein entzündugshemmendes Medikament gespritzt werden. Dann ist 14 Tage lang eine Kniemanschette fällig.


Anfänger

Pflege ist Handwerk. Man muss das erlernen. Meister wird man nicht am ersten Tag – und die Muskulatur ist das Bürsten und Kämmen zunächst nicht gewohnt. Sie macht viel schneller schlapp als bei einem geübten, muskulär trainierten  Groomer. Eine „Komplettpflege“ wie ich es bei meinem Jacko mache mit insgesamt vier vollen Durchgängen – Bürste, grob zinkiger Kamm, Bürste mit rotierenden Stiften, Slickerbürste – ist für einen Anfänger illusorisch. Also muss man sich als Anfänger einen Plan machen!

Ich habe mir anfangs meine Wuffs „vier geteilt“: 1. beide Hinterläufe bis einschließlich  der Kruppe; 2. Rücken bis zum Widerrist und  beide Seiten; 3. Vorderläufe und Schultern; 4. Brust, Hals und Kopf! Jeden Tag eine dieser Gruppen. In vier Tagen ist man fertig. Natürlich kann man andere Kombinationen bilden. Wenn man sich dann fit fühlt,  kann man die Pflegefläche erweitern bis zum „Vollkörper“. 

 

Fazit: 

Pflege ist Handwerk, aber der Kopf ist dabei mindestens ebenso wichtig! Und wer auch im täglichen Leben den Kopf einsetzt und bei seinen Arbeiten und Verrichtungen auf ergonomische Grundprinzipien achtet – z.B. nie den Oberkörper mit durchgedrückten Beinen beugen -, der kann sich etliche Malaisen ersparen.

 

 

Adolf Krassnigg